Das weltweite Absatzwachstum von reinelektrischen Fahrzeugen verliert durch Produktionsengpässe kurzfristig an Fahrt. Trotzdem weiten sich die Marktanteile in Deutschland und weiteren wichtigen Märkten aus.
Die Sonderkonjunktur für die Fahrzeughersteller hält an. Sechzehn der weltweit größten Autokonzerne steigerten ihren Gesamtumsatz im zweiten Quartal obwohl die Zahl der verkauften Pkw gegenüber dem Vorjahreszeitraum um zehn Prozent eingebrochen ist – so die Mobility-Abteilung von Ernest Young (EY). Der Grund: Die raren Halbleiter landen vor allem in margenstarken Fahrzeugen und Preisnachlässe machen teilweise sogar Preiserhöhungen Platz. Premiumautos erzielen Premiumpreise – und das schließt E-Autos mit ein.
Die Zeiten der Traummargen könnten EY zufolge allerdings zu Ende gehen, denn in den kommenden Monaten dürfte sich die Versorgung mit Halbleitern verbessern. Gleichzeitig nehmen Probleme auf der Nachfrageseite zu: Eine weltweite Rezession, die Energiekrise in Europa, Verbraucher und Unternehmen werden vorsichtiger bei Investitionen.
Zu massiven Absatzeinbußen kommt es bereits auf dem für die deutschen Hersteller besonders wichtigen chinesischen Markt, wo die Verkäufe um 24 Prozent schrumpften. In den USA ging es um 21 Prozent nach unten, in Westeuropa um 17 Prozent.
Auch das Wachstum bei den weltweiten Neuzulassungen von reinelektrischen Fahrzeugen (BEV) hat sich im zweiten Quartal 2022 durch Lieferkettenprobleme und Lockdowns in China verlangsamt. Trotzdem stieg der Marktanteil in vielen Schlüsselmärkten.
Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen „Electric Vehicle Sales Review“ von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Demnach wurden im zweiten Quartal 2022 weltweit immer noch 61,7 Prozent mehr BEVs zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Im ersten Quartal 2022 lag das Plus allerdings bei 108 Prozent.
Das Maß aller elektromobilen Dinge bleibt dabei das Reich der Mitte mit rund 2,9 Millionen neu zugelassenen Elektro-Pkw zwischen Januar und August 2022 – rund 170.000 Einheiten mehr als im gesamten Vorjahr. Insgesamt erreichen BEV damit einen Rekordanteil von knapp 20 Prozent bei Neuzulassungen. Dazu kommen noch 800.000 Plugin-Hybride. Zu diesem Ergebnis kommt der Electromobility Report 2022 des Center of Automotive Management (CAM).
Deutsche Autobauer machten Strategy& zufolge in China trotz der begrenzten Produktionskapazitäten weiter Boden gut und konnten ihren BEV-Marktanteil von drei Prozent im Vorjahreszeitraum auf vier Prozent im ersten Halbjahr 2022 steigern. Am Weltmarkt sackte der Anteil deutscher OEMs jedoch von 14 auf 11 Prozent ab.
Hierzulande machten batterieelektrische Fahrzeuge im ersten Halbjahr 2022 bereits 13,5 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen aus. Im Vorjahreszeitraum lag ihr Anteil noch bei 10,7 Prozent.
Erste Anzeichen von Entspannung bei den Lieferengpässen lassen auf ein Hochfahren der Produktionskapazitäten hoffen und damit auf ein stärkeres Wachstum im zweiten Halbjahr. Die PwC-Analysten erwarten für Deutschland mittel- und langfristig eine konstant steigende Nachfrage nach Elektroautos, die selbst durch Kürzungen der staatlichen Förderungen nicht stark gebremst werden dürfte.
Das Analysehaus Berylls zeichnet im aktuellen E-Mobility-Ranking ein zwiespältiges Bild. Danach hat es Deutschland mit einer BEV-Quote von knapp über einem Prozent noch nicht in die TOP10 geschafft. Norwegen, die Niederlande und China fahren hier deutlich voraus. Die gute Nachricht aber: Deutschland ist mit einem jährlichen Wachstum der BEV-Flotte von 113 Prozent der „Wachstums-Champion“ unter den führenden Industrienationen.