Beratung & KontaktSprache auswählen: EN

Halbleiterfertigung im Wandel: Wie Reshoring und Nearshoring die globale Elektronikindustrie neu ordnen

Die jüngsten geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten haben Unternehmen weltweit dazu veranlasst, ihre Lieferkettenstrategien zu überdenken. Insbesondere in der Halbleiterindustrie gewinnt das Konzept des Reshorings und Nearshorings an Bedeutung, wobei Produktionskapazitäten näher an die Heimatmärkte verlagert werden. Dieser Trend könnte einen tiefgreifenden Wandel in der globalen Elektronikfertigung einläuten.

Geopolitische Spannungen als Treiber

Die Ankündigung umfassender Zölle durch die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat die Handelsbeziehungen weltweit belastet. Am 2. April 2025 verkündete Trump einen pauschalen Importzoll von 10 % auf alle Waren, mit höheren Sätzen für bestimmte Handelspartner. Diese Maßnahmen führten zu erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten und lösten Befürchtungen über eine mögliche globale Rezession aus.

China reagierte prompt mit eigenen Strafzöllen von 34 % auf US-Waren, was die Spannungen weiter eskalieren ließ und Unternehmen dazu zwingt, ihre Abhängigkeit von internationalen Lieferketten zu überdenken.

Beschleunigung von Reshoring- und Nearshoring-Initiativen

Infolge dieser Entwicklungen haben viele Unternehmen begonnen, ihre Produktionsstätten näher an ihre Hauptmärkte zu verlagern. Eine Umfrage von Bain & Company ergab, dass zahlreiche Unternehmen bereits in Reshoring- und Nearshoring-Projekte investieren oder diese planen. Ein aufkommender Trend ist dabei das sogenannte „Split-Shoring“, bei dem Unternehmen eine Mischung aus Offshore-Produktion und heimischer Fertigung nutzen, um Flexibilität und Resilienz zu erhöhen.

Auch in Europa zeigt sich dieser Trend deutlich. Laut einem Bericht von The Engineer verlagern Hersteller aus der EU und den USA ihre Lieferketten verstärkt in Regionen wie Nordamerika, Großbritannien, Mexiko, Vietnam, Indien und Nordafrika, um geopolitische Risiken zu minimieren und die Nähe zu wichtigen Märkten zu erhöhen.

Investitionen in neue Halbleiterfabriken

Die Halbleiterindustrie reagiert besonders aktiv auf diese Veränderungen. Einem Bericht von Semi zufolge ist der Baubeginn von 18 neuen Halbleiterfabriken für das Jahr 2025 geplant, darunter drei 200-mm- und fünfzehn 300-mm-Fabriken. Die meisten dieser Projekte sollen zwischen 2026 und 2027 den Betrieb aufnehmen.

In Nordamerika sind mehrere bedeutende Projekte im Gange. In den USA und Europa werden zahlreiche neue Halbleiterfabriken gebaut, um die regionale Produktion zu stärken und die Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten zu reduzieren.

Herausforderungen und Chancen

Die Verlagerung der Produktion bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Der Aufbau neuer Fertigungsstätten erfordert erhebliche Investitionen und Zeit. Schätzungen zufolge kostet der Bau einer Chipfabrik mindestens 10 Milliarden US-Dollar und dauert etwa fünf Jahre von der Grundsteinlegung bis zur Produktionsaufnahme.

Dennoch bieten diese Investitionen langfristige Vorteile. Die Nähe zu Forschungs- und Entwicklungszentren, die Sicherstellung von Lieferketten und die Reduzierung geopolitischer Risiken können die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Unternehmen stärken. Zudem unterstützen staatliche Initiativen wie der US-amerikanische CHIPS Act und das europäische Pendant die Ansiedlung von Halbleiterproduktionen in ihren jeweiligen Regionen.

Die aktuellen geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten haben einen Paradigmenwechsel in der Halbleiterindustrie eingeleitet. Diese Entwicklung könnte die Landschaft der globalen Elektronikfertigung nachhaltig verändern.

Zum Seitenanfang