Design for Recycling: Wie Unternehmen wirtschaftlich profitieren
In einer Zeit, in der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit nicht mehr nur als moralischer Anspruch gelten, sondern zunehmend verbindliche Rahmenbedingungen werden, gewinnt Design for Recycling deutlich an strategischem Gewicht. Für Hersteller von Elektronik, IKT-Komponenten und Systemlösungen geht es nicht mehr allein um Image, sondern um Marktfähigkeit, Kostenstabilität und Zukunftssicherung. Wer Recyclingfähigkeit bereits im Designprozess mitdenkt, kann regulatorische Risiken senken und zugleich wirtschaftliche Potenziale erschließen.
ESPR & Digital Product Passports: Der neue EU-Rahmen
Mit der Verabschiedung der Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) hat die EU die bisherige Ökodesign-Richtlinie deutlich erweitert. Sie soll Produkte nicht nur energieeffizient, sondern in ihrer gesamten Lebensdauer nachhaltiger machen. Ein zentraler Baustein sind die Digitalen Produktpässe (DPP), die künftig Informationen zu Zusammensetzung, Reparierbarkeit und Materialherkunft maschinenlesbar abbilden.
Im April 2025 veröffentlichte die EU-Kommission den Arbeitsplan 2025–2030, der erste Produktgruppen und Anforderungen benennt. Neben Textilien und Metallen betrifft das auch Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die über horizontale Vorgaben wie Reparierbarkeit und Informationspflichten adressiert werden. Ab dem 18. Februar 2027 greift der Produktpass zunächst für Industrie-, Light Means of Transport- und Traktionsbatterien über 2 Kilowattstunden.
Right-to-Repair: Neue Pflichten für Hersteller
Parallel bringt die Right-to-Repair-Richtlinie, die bis 31. Juli 2026 in nationales Recht umgewandelt sein muss, konkrete Vorgaben für Reparatur und Ersatzteilversorgung. Hersteller müssen Reparaturen auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung ermöglichen sowie Informationen zur Reparatur zugänglich machen. Für einige Produktgruppen müssen sie Ersatzteile oder Werkzeuge bereitstellen. Unter die Richtlinie fallen unter anderem Mobiltelefone, elektronische Displays, Server und Speicherprodukte.
Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit gewinnen bei der Produktentwicklung an Bedeutung. Branchenstandards priorisieren Design for Disassembly, also Produkte, die sich am Ende ihres Lebenszyklus einfach und sortenrein zerlegen lassen, und die Trennbarkeit von Werkstoffen. Wenn technisch möglich, sollten reversible Verbindungen bevorzugt und klare Demontageschritte vorgesehen werden.
Technologische Leitplanken für Elektronik
Im Entwicklungsprozess für Produkte, bei dem das Recycling berücksichtigt wird, setzen sich bereits sinnvolle Leitlinien durch. Im Mittelpunkt stehen modulare Baugruppen, lösbare Verbindungen und ein konsequentes Design for Disassembly. Dauerhafte Klebeverbindungen treten zunehmend in den Hintergrund, während reversible Steck- oder Schraubsysteme oder lösbare Klebstoffe wie Debond-on-Demand-Kleber Reparaturen und Wiederaufarbeitung erleichtern. Auch die Materialwahl spielt eine zentrale Rolle, da Mischmaterialien schwerer zu recyceln sind.
Ergänzend verankert die ESPR mit dem digitalen Produktpass das Prinzip der Nachverfolgbarkeit bereits im Designprozess. Das schafft die Grundlage dafür, dass Produkt- und Materialdaten später automatisiert in Compliance-Systeme einfließen können.
Warum Design for Recycling wirtschaftlich attraktiv ist
Angesichts steigender Materialkosten und instabiler Lieferketten wird Kreislauffähigkeit zum Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die ihre Produkte leicht demontierbar und nach Materialien sortiert gestalten, sichern sich nicht nur Zugang zu wertvollen Sekundärrohstoffen, sondern verringern auch ihre Abhängigkeit von zunehmend unsicheren Primärmärkten. Besonders hohe Rückgewinnungsquoten für Kupfer und Edelmetalle können Materialkreisläufe schließen.
Gleichzeitig erleichtern Design-for-Recycling-Prinzipien die Wartung, Inspektion und Wiederaufarbeitung von Produkten. So kann nicht nur die Produktion effizienter gestaltet werden, sondern es können auch neue Geschäftsmodelle erschlossen werden – von Refurbishment-Services über modulare Upgrades bis hin zu einem profitablen Ersatzteilgeschäft. Der Fortschritt wird zunehmend messbar. Kennzahlen wie Demontagezeit, Anteil sortenreiner Fraktionen, Rezyklatanteil oder Reparierbarkeits-Scores entwickeln sich zu zentralen Indikatoren für zirkuläres Produktdesign.
Vom Produktdesign zur Unternehmensstrategie
Das Thema Design for Recycling reicht längst über die Produktentwicklung hinaus und wirkt auf weitere Unternehmensprozesse ein. Entwicklungs- und Beschaffungsteams müssen Produkt- und Materialdaten entlang des gesamten Lebenszyklus erfassen und rückverfolgbar machen. Lieferantenqualifizierung, Materialtransparenz und Ersatzteilmanagement werden zu strategischen Hebeln einer zirkulären Wertschöpfung.
Gleichzeitig rückt die Regelkonformität dank der neuen EU-Regelungen stärker ins Zentrum des Tagesgeschäfts. Damit wird Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil der industriellen Prozessarchitektur und zur Voraussetzung für langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Internationale Perspektiven
Der Wandel ist global. In den USA haben mehrere Bundesstaaten eigene Right-to-Repair-Gesetze für Consumer Electronics und zunehmend auch für professionelle Elektronik beschlossen, darunter New York, Kalifornien, Minnesota, Colorado und Oregon. Das Vereinigte Königreich hat seine Ökodesign-Vorgaben seit 2021 nachgeschärft und unter anderem Ersatzteil- und Reparaturpflichten ergänzt. Damit etabliert sich international zunehmend eine kreislauforientierte Produktentwicklung.
Design for Recycling als Differenzierungsmerkmal
Regulatorischer Druck, nachhaltige Beschaffung und Rohstoffknappheit machen Design for Recycling 2025 zu einem Kernkriterium unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit. Wer frühzeitig Materialdaten, modulare Designs und Aftermarket-Strategien integriert, sichert nicht nur Compliance, sondern dämpft Materialrisiken, erhöht die Resilienz und erschließt zusätzliche Serviceerlöse. Zugleich verbessern sich die Voraussetzungen für Marktzugang, etwa bei öffentlichen Ausschreibungen. Der Übergang vom linearen zum zirkulären Denken beginnt im Design.