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Memristoren gegen den Klimakiller KI

Künstliche Intelligenz wartet mit verblüffenden Resultaten auf, verbraucht aber zu viel Energie. Abhilfe schaffen könnten zukünftig in Hardware gegossene Synapsen aus Solarzellenmaterial.

Die spektakulären „Kunststücke“ künstlicher Intelligenz (KI) sorgen seit Jahren für Schlagzeilen in nahezu allen Medien. Weit weniger öffentlichkeitswirksam entpuppen sich dagegen intelligente Verarbeitungsprozesse zunehmend als Erfolgsfaktor in fast jedem Wirtschaftszweig. Und das obwohl KI-Modelle die biologische Struktur unseres Gehirns nur stark vereinfacht abbildet. Leider verbraucht sie dabei trotzdem Unmengen an Energie. Während menschliche Denkorgane mit 20 Watt auskommen, pustet etwa ein von Wissenschaftlern der Universität von Massachusetts durchgerechnetes Deep-Learning-Modell schon mal knapp 300 000 Tonnen CO₂ in die Luft.

Der Hauptgrund: Auf herkömmlichen Computern müssen laufend Daten zwischen Prozessor und Speicher verschoben werden. Nervenzellen im Gehirn dagegen erledigen sowohl die Datenspeicherung als auch die Datenverarbeitung.

Um die sehr viel effizienteren Prinzipien neurobiologischer Schaltungen auf technische Systeme zu übertragen, forschen Wissenschaftler seit Jahren an sogenannten Memristoren (Kofferwort aus memory und resistor). Der elektrische Widerstand dieser zweipoligen, passiven Bauelemente ist nicht konstant, sondern hängt davon ab, welche Menge an elektrischer Ladung bisher in welche Richtung geflossen ist. Stromlos bleibt der Wert erhalten.

Neuer Memristor aus der Schweiz

Nun existieren für Memristoren unterschiedliche Operationsmodi. Und je nach Architektur des künstlichen neuronalen Netzwerkes ist es vorteilhaft, alle diese Modi zu nutzen. Bislang allerdings waren Memristoren im Voraus lediglich für jeweils einen solchen Modus zu konfigurieren. Forschende von ETH Zürich, Universität Zürich und Empa haben dagegen ein Konzept entwickelt, das den Wechsel zwischen zwei Operationsmodi „on the fly“ vorsieht. Bei ersterem nimmt das Signal über die Zeit ab und erlöscht schließlich (volatiler Modus), bei dem anderen bleibt das Signal dauerhaft konstant (nicht-volatiler Modus).

Auch das menschliche Gehirn arbeitet so ähnlich. Einerseits übertragen biochemische Botenstoffe an den Synapsen Reize zwischen den Nervenzellen. Die Reize sind zunächst stark und werden dann langsam schwächer. Anderseits bildet das Gehirn während des Lernens neue, dauerhaftere, synaptische Verbindungen zu weiteren Nervenzellen aus.

Halbleitermaterial aus der Solartechnik

Die „schweizer“ Memristoren bestehen aus Halogenid-Perowskit-Nanokristallen, ein Halbleitermaterial, das in der Photovoltaik zum Einsatz kommt. Die „Reizleitung“ wird vermittelt, indem sich Silberionen ausgehend von einer Elektrode temporär oder permanent zu einer Nano-Faser aneinanderreihen, welche die Perowskit-Struktur durchdringt, und durch die dann Strom fließen kann.

Dieser Vorgang kann so beeinflusst werden, dass die Silberionen-Faser entweder dünn ist und mit der Zeit wieder in einzelne Silberionen zerfällt (volatiler Modus) oder dick und dauerhaft (nicht-volatiler Modus). Geringe Stromstärken bilden den volatilen Modus aus, starke den nicht-volatilen.

Den Forschern zufolge lassen sich mit dem Konzept in Zukunft Computerchips mit Memristoren herstellen, die beide Modi unterstützen. Denn die Kombination unterschiedlicher Memristor-Typen auf einem Chip ist in der Regel nicht möglich.

Bis allerdings Memristoren tatsächlich „stromfressende“, neuronale Netze ablösen, ist noch einiges an Optimierungsarbeit zu erledigen. Bis dahin können sie jedoch einen wertvollen Forschungsbeitrag in der Neuroinformatik leisten, denn sie kommen echten Neuronen ziemlich nahe.