Die KI wandert zunehmend von der Cloud zurück in die Edge. Dort bildet sie zusammen mit Sensoren und neuromorphen In-Memory-Beschleunigern autonome Systeme mit bisher unerreichter Intelligenz und Energieeffizienz.
Ob als Überwachungsdrohnen in der Luft oder ebenerdig als selbstfahrende Verkehrsmittel – autonome Systeme sind längst in der Wirklichkeit angekommen. Für ihre Unabhängigkeit müssen sie permanent den eigenen Status überwachen, die Umgebung beurteilen und unvorhergesehene Situationen meistern. Um das „ruckelfrei“ in Echtzeit zu bewältigen, kombinieren und verarbeiten spezielle Hochleistungsrechner laufend Daten aus einer Vielzahl verschiedener Sensorquellen.
Das Problem: Mit zunehmender Autonomie und Aufgabenkomplexität steigt die Anzahl der Sensoren und damit der Rechenaufwand zur Verknüpfung und Verarbeitung ihrer Daten. Experten gehen davon aus, dass in weniger als zehn Jahren die Rechenkapazität in der Sensorperipherie jener eines Supercomputers von heute entsprechen wird. Die Folge ist ein erheblich steigender Energieverbrauch. Mobile Systeme verlieren dadurch an Einsatzdauer oder Reichweite, und gleichzeitig verbrauchen sie ein nicht unerhebliches Kontingent der weltweiten Energieerzeugung.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, arbeiten die im Projekt NeurOSmart beteiligten Fraunhofer-Institute IPMS, ISIT, IMS, IWU und IAIS an neuromorphen Netzwerken, die auf biologischen, neuronalen Strukturen basieren und mittels In-Memory Computing beschleunigt werden.
Darauf erfolgt die Entwicklung besonders kleiner und effizienter Modelle für die Objekterkennung und –klassifizierung, speziell angepasst auf den Sensor, die direkt integrierte Elektronik und auf die spezielle Anwendung. Das Ergebnis: Schnelle Reaktionszeiten, erhöhter Datendurchsatz und erhebliche Energieeinsparungen gegenüber aktuellen praxisfernen oder cloudbasierten Lösungen, die mit immer größeren, energieintensiveren Modellen „hantieren“.
Blaupause für die sogenannten neuromorphen Chips ist das menschliche Gehirn. Als Multitaskingmeister verarbeitet es mit Hilfe neuronaler Netze parallel immense Datenmengen. Und das extrem ressourcen- und energieeffizient. Klassische Computer führen dagegen Berechnungen sequentiell aus und legen die Daten in einem zentralen Speicher ab. Die Rechenleistung hängt deshalb letztlich von der Datenübertragungsrate zwischen Prozessor und Speicher ab.
Bei der Nachbildung der Gehirnstruktur bieten sich sogenannte Crossbar-Architekturen an. Sie beruhen auf nichtflüchtigen Speichern wie etwa ferroelektrischen Feldeffekttransistoren (FeFET) aus Hafniumdioxid (HfO2), die ihre Polarisation beim Anlegen eines elektrischen Feldes ändern. Danach bleibt der Polarisationszustand auch nach Abschalten der Spannung erhalten.
Mit diesen FeFETs können die für Deep-Learning-Algorithmen notwendigen Gewichtswerte nun nicht mehr nur direkt im Chip abgelegt, sondern auch mit diesem gerechnet werden (In-Memory Computing). Ein energie- und zeitintensiver Datentransfer zwischen Prozessor und Speicher entfällt also.
Als einziges nichtflüchtiges Speicherkonzept werden FeFETs zudem rein elektrostatisch betrieben. Das spart Strom, da für das Schreiben der Daten die Umladeströme der Kapazitäten ausreichen. Und im Gegensatz zu den bislang eingesetzten Perovskit-Materialien sind Hafniumoxid-basierte Speicher CMOS-kompatibel, bleifrei und bis hin zu sehr kleinen Technologieknoten skalierbar.
In den nächsten vier Jahren soll der neue Ansatz erstmals mit einem komplexen, bei Fraunhofer entwickelten, LiDAR-System (Light Detection And Ranging) anwendungsnah erprobt werden. LiDAR-Sensoren gehören zum Goldstandard autonomer Systeme, da sie ihre Umgebung mit zusätzlichen Abstandsinformationen auch bei schlechtem Wetter und über große Entfernungen erfassen. Darüber hinaus wird der hochskalierbare, analog-neuromorphe HPC-Chip (High Performance Computer) mit einer KI-gestützten Vorverarbeitungspipeline gekoppelt, um die Daten direkt am Sensor zu interpretieren.
Die erste Bewährungsprobe muss das neuartige Sensorsystem in Cobots (Kollaborierende Roboter) bestehen, wo sie ihren menschlichen Kollegen beispielsweise beim Bewegen von schweren Lasten in Fertigungsumgebungen zur Hand gehen.