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Nachhaltigkeit – von der Marketing- zur Überlebensstrategie

Kein Industrieunternehmen kommt in den nächsten Jahren am Thema Nachhaltigkeit vorbei. Da sind zum einen die gesetzlichen Regelungen und Richtlinien auf nationaler und europäischer Ebene und zum anderen machen Investoren und Kunden Druck. Nicht zuletzt punktet „Grün“ im Bewerbungsreigen um die besten Köpfe.

Die Botschaft scheint angekommen. Laut der aktuellen Studie „Zukunft Industrie 2023“ der Staufen AG setzen sich 62 % der Befragten in der DACH-Region das Ziel, innerhalb der nächsten zehn Jahre CO2-neutral zu arbeiten. Und für neun von zehn Unternehmen gehört nachhaltiges Wirtschaften zur Grundlage künftiger Erfolge. Allerdings klafft zwischen Anspruch und Realität bei der Mehrheit noch eine deutliche Lücke. Immerhin 78 % der Unternehmen räumen brachliegende ökologische Potenziale ein.

Kostensenkungen gegen den Klimawandel

Viele setzen in Zeiten, die von Kostensenkungen geprägt sind, erst einmal auf schnelle Erfolge beim Strom- und Wärmeverbrauch. Sieben von zehn Unternehmen sehen in Energieeinsparungen den größten Hebel, 56 % streben darüber hinaus eine CO2-neutrale Energieversorgung an, etwa durch eine Fotovoltaikanlage auf dem Fabrikdach. Auf diese Weise verringern Kostensenkungsprogramme gleichzeitig auch den CO2-Fußabdruck, der dann „gerne“ den Weg in den Nachhaltigkeitsbericht findet.

Der allein macht der Studie zufolge ein Unternehmen jedoch nicht CO2-neutral. Er dokumentiert lediglich den Status quo. Wer permanent über seine Fortschritte bei der Reduktion der Emissionen berichten will, braucht eine umfassende Strategie zur Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette. Andernfalls bleibt in den kommenden Jahren nur der kompensatorische Kauf teurer Zertifikate.

Blackbox Footprint

Grundlage der Nachhaltigkeit sind schlanke digitalisierte Prozesse und zentral zusammengeführte Daten. Bei der strukturierten Herangehensweise an das Thema besteht allerdings Nachholbedarf. Nur die Hälfte der befragten Unternehmen berechnet den aktuellen CO2-Footprint und nutzt dafür neben den eigenen Messergebnissen ebenso die Zahlen der Zulieferer und Kunden. Wenn es um die Optimierung der Transportwege, um Verpackungsmethoden, Fertigungsprozesse oder um die passende Recyclingstrategie geht, stecken die meisten Unternehmen noch im Einzelkämpfermodus.

Auch bei der Auftragsvergabe spielt die Nachhaltigkeit der Zulieferer noch nicht die große Rolle. Nur vier von zehn Unternehmen entscheiden sich vor allem für klimafreundliche Zulieferer. Allerdings bestehen hier zwischen den Branchen Unterschiede: Für knapp die Hälfte der Unternehmen in der Automobilindustrie stellt die Nachhaltigkeit von Zulieferern schon ein wichtiges Vergabekriterium dar, im Maschinenbau legt bislang erst gut ein Viertel darauf Wert.

Fachkräftemangel hemmt den Wandel

Die KOFA-Studie 2/2023 vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung zeigt, dass Hemmnisse auch von einer anderen Seite kommen. Sechs von zehn Unternehmen sehen im allgemeinen Personalmangel, in den fehlenden Fachkräften und dem fehlenden Wissen nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Darauf reagieren nur 28 % der befragten Unternehmen mit der Neueinstellung passend qualifizierter Fachkräfte. Insbesondere für KMU sind Qualifizierungsmaßnahmen das Mittel der Wahl.

Grundsätzlich sehen viele Unternehmen, geht es um nachhaltiges Wirtschaften, immer noch vor allem einen Kostenfaktor. Und das ungeachtet der Tatsache, dass bereits eine störungsfreie Fertigung und Lean Management – schon immer der Vermeidung von Verschwendung verpflichtet – einen nicht unerheblichen grünen Hebel liefern. „Wer jedoch zögert, verpasst die Chance, sich mit sozialen und ökologischen Themen als Innovator in seiner Branche zu positionieren und den eigenen Marktanteil auszubauen“, so die Staufen-Analysten.