Sonnenenergie steht dieser Tage hoch im Kurs. Schließlich wird sie in zukünftigen treibhausgasneutralen Energiesystemen zusammen mit Windkraft als wichtigste Energieform gehandelt. Unglücklicherweise hängt der Output von der Tages- und Jahreszeit sowie dem Wetter ab. Und mehr als die Hälfte der ankommenden Sonnenstrahlung geht auf dem Weg durch die Erdatmosphäre durch Reflexion und Absorption verloren.
Deswegen treibt seit Jahrzehnten Wissenschaftler die Vision um, die Energie der Sonne im geostationären Orbit – 36.000 Kilometer von der Erdoberfläche entfernt – abzugreifen und mithilfe von Mikrowellen auf die Erde zu übertragen. Die bislang umfangreichste Studie zur Machbarkeit dieses futuristischen Szenarios entstand bei der NASA und dem Energieministerium der Vereinigten Staaten (DoE) unter dem Eindruck der Ölkrise ab Juli 1977. Knackpunkte waren damals technische und wirtschaftliche Aspekte sowie die enormen Transportkosten.
Anderenorts wandte man sich erst viel später dem Thema zu. So etwa in China, Japan, Südkorea oder Australien. Und die britische Regierung hat letztes Jahr bekannt gegeben, dafür 19 Milliarden Euro zu investieren.
Auch Europa denkt seit kurzem ernsthaft über Solarpanels im All nach. Die Europäische Weltraumagentur (ESA) geht davon aus, dass damit ab 2050 ein signifikanter Anteil an sauberer Grundlastenergie gewonnen werden könnte. Studien der Beratungsfirmen Frazer-Nash aus Großbritannien und Roland Berger aus Deutschland vom August 2022 raten, frühzeitig in weltraumgestützte Solarstromtechnologie zu investieren, um eine Vorreiterrolle einzunehmen. Allein in Europa wären die Anlagen künftig in der Lage, 800 Terawatt Strom zu erzeugen, so Frazer-Nash. Das entspräche einem Drittel der europäischen Stromproduktion aus dem Jahr 2020.
So einfach sich das Vorhaben in der Theorie darstellt, die Hürden für eine Umsetzung sind immens. Die Installation im Weltall verschlänge Hunderte Milliarden Euro. Es würde Jahre dauern, bis man Dutzende Satelliten, die zehnmal größer wären als die internationale Weltraumstation ISS, in ihre Umlaufbahn brächte. Und die Bodenstationen beanspruchten ESA-Schätzungen zufolge Areale von bis zu 70 Quadratkilometern – das sind 10.000 Fußballfelder. Elon Musk – mit seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX eigentlich Profiteur dieser Pläne – nannte Weltraumstrom vor einigen Jahren „die dümmste Sache überhaupt“.
Die Bedingungen haben sich jedoch geändert: Die Transportkosten sind durch private Raumfahrtunternehmen wie SpaceX stark gefallen. Weltraum-Hardware wird inzwischen viel günstiger industriell gefertigt, und Roboter könnten in Zukunft die riesigen Anlagen im All montieren.
Außerdem gibt es Erfolg versprechende Entwicklungen. So ist es Forschern des California Institute of Technology (Caltech) beim „Space Solar Power Project“ (SSPP) erstmals gelungen, von Solarzellen im Weltall produzierte elektrische Energie drahtlos auf die Erde zu übertragen. Das vom US-amerikanischen Unternehmer Donald Bren großzügig mit 100 Millionen Dollar ausgestattete Projekt schickte Anfang des Jahres einen 50 Kilogramm schweren Testsatelliten ins All, um weltraumgeeignete Solarpanels und die Energieübertragung an eine Bodenstation via Mikrowelle zu erproben.
Die Hauptrolle spielte MAPLE (Microwave Array for Power-transfer Low-orbit Experiment), eine Anordnung von flexiblen, leichten Mikrowellensendern hoher Leistung, hergestellt in kostengünstiger Siliziumtechnologie. Durch konstruktive und destruktive Interferenz zwischen den einzelnen Sendern ist das Array in der Lage, den Fokus und die Richtung der ausgestrahlten Energie ohne bewegliche Teile zu verändern.
Und für die Energie sorgen zehn Quadratzentimeter große und weniger als drei Gramm leichte Solarkacheln. Im Weltraum entstehen daraus flache Quadrate mit einer Kantenlänge von etwa 60 Metern – mit Solarzellen auf der Vorder- und Mikrowellensendern auf der Rückseite. Auch die Leistungselektronik ist bereits integriert. Diese Module können letztlich neun Quadratkilometer große Solarfelder bilden.
Auf der Erde wird der Strom von quadratkilometergroßen Antennenfeldern empfangen und direkt genutzt oder in das Stromnetz eingespeist.
Die Forschenden konnten mit ihrem Testaufbau bereits LED-Lampen auf einem anderen Satelliten zum Blinken zu bringen. Außerdem erreichte Energie via Mikrowelle den Caltech-Campus in Pasadena zur berechneten Zeit und in der vorhergesagten Frequenz.
Noch ist die Gesamteffizienz solcher Systeme viel zu niedrig und die Kosten sind zu hoch. Aber erste praktische Tests und der Einsatz erheblicher finanzieller Mittel unterstreichen zumindest die Ernsthaftigkeit des futuristisch anmutenden Vorhabens.