Akkus mit festem Elektrolyten sollen die Reichweiten- und Ladezeitenmisere elektromobiler Fortbewegung beenden. Doch was im Labor gut funktioniert wehrt sich zum Teil vehement gegen eine Hochskalierung.
Die Elektromobilität kommt gut voran – besser noch als vor einigen Jahren gedacht. Und das, obwohl sie mangelnde Reichweiten und lange Ladezeiten immer noch ausbremsen. Beides sollen bis zum Ende des Jahrzehnts sogenannte Festkörperbatterien (Feststoffbatterie, Solid State Battery) vergessen lassen. Möglich macht es ein Elektrolyt aus festem Material. Technik, welche die Zellen vor Stößen oder zu hohen Temperaturen schützt, wird damit überflüssig. Das spart Platz, Gewicht und Kosten.
Und durch den Einsatz von metallischem Anodenmaterial (Lithium) anstatt des heute üblichen Graphits erzielen Feststoffbatterien höhere Energiedichten – theoretisch bis zu 11 kWh/Kg. In der Praxis scheinen 1 kWh/Kg realisierbar; im Vergleich zu aktuellen Lithium‐Ionen‐Akkus eine Vervierfachung. Das ergäbe eine weitere Reduzierung des Gewichts um bis zu 30 Prozent bei gleicher Energiemenge.
Nicht zuletzt würden durch den festen Elektrolyten auch brennende und auslaufende Lithium-Ionen-Batterien der Vergangenheit angehören.
Es gibt jedoch nicht die eine Festkörpertechnologie. So experimentiert etwa Samsung mit Silber-Karbon-Anoden, um der sogenannten Dendritenbildung bei Lithium-Feststoffbatterien entgegenzuwirken. Diese elektrochemischen Lithiumablagerungen an den Elektroden wachsen zu kleinen Nadeln heran, welche die Trennschicht zwischen Anode und Kathode (Separator) durchstoßen und einen Kurzschluss auslösen können.
Im Mittelpunkt der Entwicklung des kanadischen Energieversorgers Hydro Quebec steht eine ultradünne Lithum-Metall-Folie als Anode. Wohingegen die Batterieexperten von TNO aus Eindhoven an optimierten dreidimensionalen Oberflächenstrukturen arbeitet.
Auch bei den Festelektrolyten gehen die „Meinungen“ auseinander. Die gebräuchlichsten sind Polymere (organisch) und Sulfide (anorganisch). VW-Partner QuantumScape zum Beispiel kombiniert keramische Elektrolyten mit Lithium-Metall-Anoden. Der BMW- und Ford-Partner Solid Power verwendet dagegen ausschließlich feste Elektrolyten auf Sulfid-Basis, die mit verschiedenen Anoden – etwa aus Lithium-Metall oder welche mit hohem Siliziumgehalt – funktionieren. Der taiwanesische Batteriebauer Prologium, in das Mercedes erst kürzlich einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investiert hatte, setzt auf Elektrolyt-Schichten aus Keramik. Und im Mittelpunkt der „Factorial Electrolyte System Technology“ (FEST) des amerikanischen Unternehmens Factorial Energy – seit kurzem Partner von Mercedes und Stellantis – steht ein bislang nicht näher spezifiziertes, selbst entwickeltes Festelektrolytmaterial.
Laut Experten gibt es über 40 Milliarden theoretische Kombinationen für den Elektrolyten und die Anoden- bzw. Kathodenmaterialien. Die richtige zu finden, ist „händisch“ kaum zu schaffen. Deshalb widmet sich eine Forschungsgruppe am Helmholtz-Institut Ulm der sogenannten „Hochdurchsatz-Materialforschung“ mit Robotern und Künstlicher Intelligenz. Sie sollen automatisiert rund um die Uhr Materialien herstellen, charakterisieren und optimieren.
Auf der Suche nach der richtigen Mischung war und ist auch in Zukunft das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kompetenzcluster „FestBatt“. Im ersten Schritt standen die wissenschaftlichen Grundlagen der Synthese von Festelektrolyten als Kernkomponente von Festkörperbatterien auf der Agenda. Die zweite Phase fokussiert sich nun auf die Zellkomponenten sowie ganze Festkörperbatteriezellen und auf die dafür notwendige Material- und Prozesstechnologie.
So entwickelt etwa das Verbundprojekt „FB2-Oxide“ oxidkeramischen Batteriezellen. Die dazu benötigen Festkörperelektrolyt- und Aktivmaterialien werden über skalierbare Verfahren hergestellt und gezielt an die Anforderungen in Festkörperbatterien angepasst. Die Weiterverarbeitung der keramischen Bestandteile zu Batteriezellen erfolgt über Herstellungsverfahren basierend auf Foliengießen, neuen Sintertechnologien und Laserabscheidung.
„FB2-Poly“ forscht an Polymer- und Hybridelektrolyten, die aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften und Verarbeitbarkeit ein großes Potential aufweisen. Zu den Themen gehören die Optimierung und Erweiterung der stofflichen Basis, insbesondere hinsichtlich Schnellladefähigkeit und Senkung der Betriebstemperatur. Konzepte für polymerbasierte Batteriezellen mit Lithiummetall-Anoden oder in „anodenfreier“ Variante werden im Einfach- oder Mehrschichten-Ansatz unter Einbeziehung „hybrider“ Zellen und Materialien umgesetzt.
„FB2-Hybrid“ dagegen vereint die Vorteile der verschiedenen Festkörperklassen in Form von Hybridelektrolyten. Sie ermöglichen beispielsweise den Betrieb von Festkörperelektrolyten ohne zusätzlichen äußeren Druck.
Die Arbeiten im Projekt „Festbatt“ sind weitere wichtige Schritte auf dem Weg zu der lang erwarteten Massenproduktion von Festkörperbatterien. Bis allerdings alle wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen gelöst sind, dürften noch Jahre vergehen.
So könnten der Studie Solid-State Battery 2021 von Yole Developpement zufolge ab 2025 erste Batterien verfügbar sein und die Produktion bis 2027 auf 2,36 GWh steigen. Die Massenproduktion von Fahrzeugen mit Festkörperbatterien soll erst um das Jahr 2030 beginnen. Statista erwartet dann weltweit einen Gesamtbedarf an Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge in Höhe von 1525 GWh.
Auch der weltweit größte Hersteller von E-Auto-Batteriezellen Contemporary Amperex Technology (CATL) aus China rechnet 2025 mit ersten praxistauglichen Akkus, die was die Speicherkapazität angeht, mit aktuellen Lithium-Ionen-Akkus mithalten können. Bis 2030 soll ihr Marktanteil allerdings auf lediglich ein Prozent wachsen. Danach folge eine zweite Generation mit neuen Kathoden- und Anodenmaterialien und erst nach 2035 die dritte Generation.