Dreißig Prozent mehr Reichweite und doppelt so schnelles Laden versprechen Akkus mit festen Elektrolyten. Doch obwohl mittlerweile viel Geld in die Entwicklung fließt, dürfte es bis zur endgültigen Marktreife noch einige Jahre dauern.
Die Elektromobilität kommt besser voran als gedacht. Alle Hersteller kündigen an, den Verbrenner schneller abzuschaffen. Fabriken werden auf E-Autos umgerüstet, Zulieferketten umgebaut, und die lange Zeit ungeliebten Batteriefabriken schießen auch hierzulande aus dem Boden. Kein Wunder, produzieren sie doch mit Lithium-Ionen-Akkus das, was Elektrofahrzeuge erst „elektrisch“ macht. Allerdings bleiben die Stromlieferanten immer noch die Achillesferse der nachhaltigen Fortbewegung.
Vielfach gepriesene „Superbatterien“ mit exotischen Materialien oder Laborzellen mit unglaublichen Leistungsdaten konnten da in den letzten Jahren keine Abhilfe schaffen. So liegen die Hoffnungen der Batterieentwickler nun auf der Festkörperbatterie (Feststoffbatterie, Solid State Battery) – einem Lithium‐Ionen‐Akku mit einem Elektrolyten aus festem Material.
Er kann weder auslaufen noch in Brand geraten und benötigt weniger Technik, um die Zellen vor Stößen oder zu hohen Temperaturen zu schützen. Das spart Platz, Gewicht und Kosten. Und durch den Einsatz von metallischem Anodenmaterial (Lithium) anstatt des heute üblichen Graphits erzielen Feststoffbatterien höhere Energiedichten – theoretisch bis zu 11 kWh/Kg. In der Praxis scheinen 1 kWh/Kg realisierbar; im Vergleich zu aktuellen Lithium‐Ionen‐Akkus eine Vervierfachung. Das ergibt eine weitere Reduzierung des Gewichts um bis zu 30 Prozent bei gleicher Energiemenge.
Es gibt jedoch nicht die eine Festkörpertechnologie. So experimentiert etwa Samsung mit Silber-Karbon-Anoden, um der sogenannten Dendritenbildung von Lithium-Feststoffbatterien entgegenzuwirken. Diese elektrochemischen Lithiumablagerungen an den Elektroden wachsen zu kleinen Nadeln heran, welche die Trennschicht zwischen Anode und Kathode (Separator) durchstoßen und einen Kurzschluss auslösen können.
Auch bei den Festelektrolyten gehen die „Meinungen“ auseinander. Die gebräuchlichsten sind Polymere (organisch) und Sulfide (anorganisch). Solid Power zum Beispiel setzt ausschließlich auf Sulfid-Festkörperbatterien. Sie haben die höchste Leitfähigkeit und lassen sich mit herkömmlichen Rolle-zu-Rolle-Verfahren produzieren.
Grundsätzlich sind die wichtigsten Forderungen an die festen Elektrolyten eine gute Ionenleitfähigkeit gepaart mit einem hohen elektrischen Widerstand sowie eine ausreichende mechanische „Tuchfühlung“ an den Grenzflächen zu den Elektroden, die über Hunderte von Lade- und Entladezyklen strukturell und elektrochemisch stabil bleiben muss. Die Herausforderung besteht nun darin, Materialkombinationen zu finden, die diese Voraussetzungen optimal erfüllen. Das kostet viel Zeit und Geld.
So flossen in den vergangenen Jahren hohe Summen in die Entwicklung der Festkörperbatterie. Viele Batterie- und Fahrzeughersteller setzen dabei auf Start-ups. So investieren etwa BMW, Ford und Hyundai in Solid Power, Volkswagen in Quantumscape und Renault, Mitsubishi sowie Nissan in Ionic Materials. Die Spezialisten für Solid-State-Batterien sollen die Zeit bis zur Marktreife erheblich verkürzen.
So könnten der Studie Solid-State Battery 2021 von Yole Developpement zufolge schon ab 2025 erste Batterien verfügbar sein und die Produktion bis 2027 auf 2,36 GWh steigen- im Vergleich zur Gesamtnachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien jedoch ein kleines Volumen. Die Massenproduktion von Fahrzeugen mit Festkörperbatterien wird um das Jahr 2030 erwartet. Laut IDTechex dürfte der Markt bis 2031 auf 8 Milliarden US-Dollar wachsen. Ein Markt, der nicht mehr nur hauptsächlich eine „asiatische“ Angelegenheit sein wird, sondern sich zu einer globalen Angelegenheit, mit regionalen Interessen und staatlichen Förderungen entwickelt. Einen groß angelegten Schwenk auf Festkörperbatterien erwarten die Analysten allerdings nicht so schnell.
Vereinzelt scheint es allerdings auch rascher gehen. So versprach BMW unlängst erste Protoypen von E-Autos mit Feststoffbatterie "deutlich vor 2025". Der Partner Solid Power will erste Qualifikationstests mit 100-Ah-Zellen schon 2022 liefern. Mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Prozessen laufen bereits mehrschichtige Feststoffbatterien mit 20 Amperestunden (Ah) Kapazität von einer "Roll-to-Roll-Produktionslinie".
Weiter ist schon das chinesische Start-up NIO, das mit dem ET7 für Ende 2022 erstmals Serienfahrzeuge mit Solid-State-Batterie für den chinesischen Markt ankündigt. Die verbaute Feststoffbatterie des Topmodells mit einer Energiedichte von 360 Wh/kg soll damit 1000 Kilometer schaffen. Der CEO erklärte allerdings unlängst in einem Interview, dass es sich dabei eher um eine “Semi-Solid-State-Batterie“ handele.
Bereits mit „ganzer“ Festkörperbatterie unterwegs sind seit Anfang Februar 21 Mercedes-Benz eCitaro bei der ESWE Verkehr in Wiesbaden. Die Akkus kommen von der Bolloré-Tochter Blue Solutions. Sie basieren auf einem festen Elektrolyten, einer Lithium-Metall-Anode und einer Standardkathode wie in herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien, nur dass statt NMC (Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan ) Eisenphosphat zum Einsatz kommt. Allerdings müssen die LMP-Batterien je nach Anwendungen bei Temperaturen zwischen 50 und 80 Grad betrieben werden.
Als weiterer Pionier hat der taiwanesische Batteriezellhersteller ProLogium bereits auf der CES 2020 ein Feststoff-Batteriepaket für Elektroautos, Elektrobusse und elektrische Zweiradfahrzeuge vorgestellt. Partner sind die chinesischen Autobauer Nio und EnovatE.
Und was macht Tesla? Elon Musk setzt bislang – zumindest offiziell – lieber auf bessere Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigen Elektrolyten – etwa die von CATL. Allerdings bemerkte Martin Eberhard, Mitbegründer und Vorsitzender von Tesla kürzlich, dass die Festkörperelektrolyt-Technologie von ProLogium die aufregendste neue Entwicklung sei, die er in diesem Bereich gesehen habe.