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Elektroingenieur: Beruf mit Imageproblem

Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Ingenieuren nimmt dramatische Ausmaße an. Und gleichzeitig wird das Studium der Elektrotechnik beim Nachwuchs immer unbeliebter. Die Gründe dafür sind überraschend.

Der Abwärtstrend geht weiter: Mit 3,5 Prozent aller Studierenden erreicht die Elektrotechnik derzeit einen neuen Tiefststand. 7500 Hochschulabsolventen erwartet der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) in diesem Jahr. Demgegenüber stehen 13.500 Elektroingenieure, die in den Ruhestand gehen und ersetzt werden müssen.

Zwar schließt Deutschland aktuell die Lücke großteils mit Fachkräften aus dem Ausland, doch dies ist keine Lösung für die Zukunft. Zum einen verschärfen demografischer Wandel und hochaktuelle Gegenwartsaufgaben wie erneuerbare Energien, Mobilität, Digitalisierung oder Industrie 4.0 den Mangel. Zum anderen benötigt zunehmend auch das Ausland Elektrotechnik-Spezialisten.

Elektroingenieur – der verkannte Beruf

Richten kann es also nur der eigene Nachwuchs. Der aber lässt die Elektrotechnik links liegen. Einer aktuellen VDE-Studie zufolge sieht die junge Generation Elektroingenieure hauptsächlich in gebückter Haltung Kabel verlegen oder Weihnachtsbeleuchtungen installieren.

Den meisten fehlt jegliche Vorstellung von einem Elektrotechnikstudium. Danach gefragt rekonstruiert das Kopfkino aus dem Wort „Elektro“ ein unattraktives Berufsbild, das vom Abarbeiten etwaiger Arbeitsaufträge oder dem Kontrollieren und Reparieren elektrischer Geräte geprägt ist. Demgegenüber steht der Wunsch Lösungen zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen.

Das Problem ist nicht neu. Vor zwei Jahren kam eine Bachelorarbeit von Julian Becker an der TU München zu ähnlichen Ergebnissen. Damals assoziierten vor allem Jugendliche Begriffe wie „schwer, einseitig, altbacken und abstrakt“ mit dem Beruf des Ingenieurs. Ein Drittel der Kinder im Alter von 12 bis 16 Jahren ging davon aus, Elektrotechniker brächten in der Hauptsache Deckenlampen an.

Und von denen, die es trotzdem in einen Ingenieurstudiengang zieht, brechen über die Hälfte ihr Studium ab. „Offensichtlich sind die Anforderungen unerwartet hoch, viele Studierende überfordert“ zitiert Becker aus aktuellen Forschungsarbeiten.

Bessere Kommunikation, „schärferes“ Berufsbild

Ohne Zweifel hat der Studiengang Elektrotechnik ein Kommunikationsproblem. Meist liefern der VDE-Studie zufolge zufällige Impulse den Ausschlage gegen ein Elektrotechnikstudium, weniger eine fundierte Beratung in Jobcentern oder Hochschulen. Es gelingt der Branche nicht, jungen Menschen ein realistisches Bild vom Beruf des Elektroingenieurs zu vermitteln.

Somit sind zum einen die Unternehmen gefragt: Was bietet die Elektrotechnik dem Nachwuchs, was macht sie attraktiv, nicht zuletzt wie viel lässt sich verdienen? Werden diese Botschaften zielgruppentauglich kommuniziert, lässt sich das schiefe Bild zurechtrücken.

Zum anderen müssen die Hochschulen vermitteln für welche Aufgaben das Studium im späteren Berufsleben qualifiziert. Das fördert die intrinsische Motivation und damit das „Durchhaltevermögen“, eine wesentliche Eigenschaft für einen erfolgreichen Abschluss.

Frauen für die Elektro- und Informationstechnik

Weiterhin stellen Frauen ein ungenütztes Fachkräftepotential dar. Besonders niedrig ist ihr Anteil mit jeweils unter 20 Prozent in den Fächern Informatik, Elektrotechnik/Elektronik und Maschinenbau. Selbst unter den High Potentials in MINT-Fächern gibt die Mehrheit der im Rahmen der VDE-Studie befragten Schülerinnen der Branche ein schlechtes Zeugnis. Es sei immer noch eine Männerdomäne, man wolle sich im Job nicht unterbuttern lassen oder im Umfeld blöde Sprüche anhören müssen wegen der Berufswahl.

Wichtig wäre eine klischeefreie Studienorientierung, welche zum Beispiel die herausragende Bedeutung der Informatik- und Ingenieurberufe für Klimaschutz und Nachhaltigkeit vermittelt. Denn diese Themen rücken sozioökonomischen Panels zufolge vor allem bei jüngeren Frauen aktuell in den Fokus.

Knowledge Base

Maya Götz mit Caroline Mendel, Miriam Fößel. „Elektroingenieure installieren Lampen“ Das Image der Elektrotechnik (Studien zum Image des Studiums der Elektrotechnik, Band 1). IZI, 2023. ISBN 978-3-922289-63-0