Elektronische Geräte sind nimmersatte Stromfresser. Deshalb sollen bislang wenig genutzte Halbleitereigenschaften den Energieverbrauch künftig drastisch reduzieren.
Bis zu zwölf Prozent des globalen Stromaufkommens fließen schon heute in digitale Geräte, so der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Verantwortlich sind Rechenzentren und Netze sowie Smartphones, Personal Computer, Notebooks und Tablets. Tendenz stark steigend.
Denn die verbauten Chips benötigen zunehmend höhere Leistungsdichten, erwärmen sich stärker und verbrauchen somit mehr Energie. Schließlich wird nahezu alles, was an elektrischer Energie in ein elektronisches Gerät fließt, am Ende in Wärme umgewandelt.
Deswegen forschen Wissenschaftler weltweit an effizienteren Lösungen. Ein Kandidat ist die Spintronik. Sie nutzt neben der Ladung auch den Eigendrehimpuls der Elektronen für die Datenverarbeitung. Diese nicht real beobachtbare, quantenmechanische Eigenschaft „verwandelt“ die Elektronen in winzige Stabmagnete, die sich um die eigene Achse drehen. Die beiden Orientierungen Spin "up" oder "down" entsprechen dabei den binären Zuständen 0 und 1. Da bei dieser Art von Informationsverarbeitung keine Elektronen fließen, die mit Atomen des Leiters kollidieren könnten, treten weniger Wärmeverluste auf.
Erste kommerzielle Spintronik-Anwendungen sind Magnetfeldsensoren in den Schreib-Lese-Köpfen moderner Computerfestplatten und nichtflüchtige, magnetische Random-Access-Speicher (MRAM), hauptsächlich für den industriellen Einsatz.
Setzt man dagegen Elektronenspins zur Datenübertragung und -verarbeitung ein, nutzt man nicht die einzelnen Spins als Informationsträger, sondern Spinwellen mit ihren Quantenteilchen (Magnonen). Was die Ausbreitung und Überlagerung angeht zeigen sie ähnliche Eigenschaften wie Licht- oder Wasserwellen.
Neue Erkenntnisse der Spinforschung versprechen, dass die Spin-Wave-Technologie in Mikrochips in der Lage ist den Energie- und Flächenverbrauch von elektronischen Geräten deutlich zu senken.
Auf dieser Grundlage konnten Forscher des Fraunhofer IZM zusammen mit europäischen Partnern „magnonische“ Bauelemente an einen Standardcomputer anschließen und somit in gängige Halbleitersysteme integrieren. CMOS-Schaltungen gewährleisten dabei die Kompatibilität, da sie in allen gängigen Rechnern vorkommen und zugleich digitale und analoge Daten speichern und verarbeiten.
Im Rahmen des Projekts konzipierte die Gruppe am Fraunhofer IZM einen Chipaufbau für Frequenzen bis circa 16 Gigahertz mit nahezu gleichlangen Verdrahtungslängen für mehr als 100 Kanäle. Er fungiert als Schnittstelle zwischen einem klassischen PC und einem Spinwellen-Schaltkreis auf Saphir- oder Gadolinium-Gallium-Granat (GGG)-Basis.
Aktuell wird auf einem dieser Spin-Wellen-Chips nur ein Logikgatter betrieben. Für die Realisierung komplexerer Rechenfunktionen sollen jedoch künftig über 100 Gatter darauf Platz finden. Die Ansteuerung vieler Hochfrequenzkanäle zielt aber auch auf Anwendungen in Hochfrequenz- und Kommunikationssystemen – etwa im Rahmen der Kollisionsvermeidung beim autonomen Fahren.
Was die Datenverarbeitung angeht, befindet sich die Spintronik in der Anfangsphase. Noch ist die Forschung hauptsächlich mit Grundlagen beschäftigt, erste praktische Erfolge machen aber Hoffnung. Einig sind sich jedenfalls viele Experten, dass die neue stromsparende Technologie die aktuelle Mikroelektronik beerben wird.